Finanzgericht Münster – Az. 5 K 1620/14 E

Wann gilt der Auszahlungsanspruch für eine Erwerbsunfähigkeitsrente als erfüllt?

Eine nicht unerhebliche Zahl der Arbeitnehmer in Deutschland wird jedes Jahr erwerbsunfähig. Dies kann verschiedene Hintergründe haben, zum Beispiel eine chronische Erkrankung, einen Unfall, eine psychische bzw. seelische Krankheit etc. Für diesen Fall sollte jeder Einzelne bestmöglich abgesichert sein.

Denn nur durch den Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente lassen sich die finanziellen Einbußen durch den Verlust des Arbeitsplatzes so weit wie möglich kompensieren. Bis es allerdings soweit ist, dass die Deutsche Rentenversicherung dem Geschädigten einen Anspruch auf die Erwerbsunfähigkeitsrente zuspricht, können durchaus Monate oder gar Jahre vergehen.

Für die Zwischenzeit benötigt der Betroffene jedoch trotzdem eine finanzielle Versorgung. Diese wird durch die Auszahlung eines Kranken- oder Übergangsgeldes sichergestellt.

In steuerlicher Hinsicht kann es hiermit allerdings Probleme geben, zum Beispiel dann, wenn die Rentenzahlung als steuerpflichtige Einnahmen gewertet werden, der Betroffene zum entsprechenden Zeitpunkt jedoch lediglich ein Kranken- oder Übergangsgeld erhalten hat.

Finanzamt besteuert Kranken- und Übergangsgeld

Mit einem derart gelagerten Fall musste sich das Finanzgericht Münster auseinandersetzen. Hier der genaue Sachverhalt, welcher der Gerichtsverhandlung zugrunde lag:

Im Jahr 2011 hatte der Kläger sowohl Krankengeld als auch Übergangsgeld bezogen. Im darauffolgenden Jahr erkannte die Deutsche Rentenversicherung dem Kläger den Anspruch auf Auszahlung einer Erwerbsminderungsrente zu. Dieser Auszahlungsanspruch wurde rückdatiert auf März 2011.

Die Deutsche Rentenversicherung erstattete im Anschluss die entsprechenden Beträge an die Agentur für Arbeit und an die Krankenkasse. Somit waren die Zahlungen korrekt verrechnet. Das zuständige Finanzamt jedoch sah die Einkünfte aus dem Kranken- und Übergangsgeld im Jahr 2011 als steuerpflichtige Renteneinkünfte an und besteuerte sie entsprechend.

Damit erklärte sich der Kläger nicht einverstanden, da seiner Meinung nach die Rentenzahlung erst im Jahr 2012 aufgenommen wurde, nach der entsprechenden Verrechnung der Beiträge. Als der Steuerpflichtige mit seinem Finanzamt keine für ihn befriedigenden Lösung finden konnte, erhob  er schließlich Klage.

Finanzgericht stellt sich auf die Seite des Finanzamts

Das Finanzgericht Münster nahm sich diesem Fall an und stellte fest, dass die Annahme des Finanzamtes gemäß geltender Gesetzgebung korrekt ist. Die Begründung: Dem Kläger sei die Erwerbsminderungsrente bereits im Jahr 2011 in Höhe der verrechneten Beträge zugeflossen.

Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Beträge zunächst in Form von Krankengeld und Übergangsgeld ausgezahlt wurden. In diesem Zusammenhang sei festzustellen, dass für die steuerliche Behandlung derartiger Einkünfte der endgültige sozialversicherungsrechtliche Rechtsgrund ausschlaggebend sei.

Dieser Rechtsgrund habe bereits für das Jahr 2011 bestanden, somit sei der Anspruch des Klägers gegen Rentenversicherung auf die Auszahlung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente gemäß § 107 SGB als erfüllt anzusehen.

Es handelt sich hierbei um eine so genannte Erfüllungsfiktion. Diese sei ganz bewusst in der Gesetzgebung verankert worden, um eine Rückabwicklung zwischen den verschiedenen Sozialleistungsträger und einem Anspruchsberechtigten zu verhindern.

Steuergesetze schwer nachzuvollziehen

Meinung zum Urteil: Für Betroffene ist dieses Urteil sicherlich nicht leicht nachvollziehbar. Schließlich hatte der Kläger im hier vorliegenden Fall im Jahr 2011 ohne Zweifel Krankengeld und Übergangsgeld erhalten, keine Erwerbsminderungsrente gemäß der Deutschen Rentenversicherung.

In steuerlicher Hinsicht jedoch gelten bei einer rückwirkenden Zusprache das Bezugsrechtes für die Erwerbsminderungsrente auch die Zahlungen von Krankengeld und Übergangsgeld als steuerpflichtige Renteneinnahmen.

Das Ganze wird also so betrachtet, als hätte der Steuerpflichtige für den rückwirkend betrachtenden Zeitraum bereits die Erwerbsminderungsrente erhalten. Daher muss er die Einnahmen entsprechend versteuern.