Oberlandesgerichts Karlsruhe – Az. 12 U 153/12

Kostenübernahme durch private Zusatzversicherung im Hinblick auf den Vertragsbeginn von Heilbehandlungen

Private Zusatzversicherungen, insbesondere im Gesundheitsbereich, erfreuen sich in Deutschland seit Jahren deutlich steigender Beliebtheit. Kein Wunder: Der Leistungskatalog der Krankenkassen wird immer dünner, der Versicherer muss also in immer mehr Fällen eigene Zuzahlungen leisten oder sogar die kompletten Kosten für eine Behandlung übernehmen.

Durch den Abschluss privater Zusatzversicherungen kann diesem Kostenrisiko wirkungsvoll vorgebeugt werden. Beispiel Zahnzusatzversicherung: Gerade im zahnmedizinischen Bereich ist es mittlerweile Standard, dass der Patient für bestimmte Leistungen entsprechend zuzahlen muss.

Von der Kasse übernommen werden nur noch absolut notwendige Maßnahmen zur Grundsicherung, die kaum einem Patienten wirklich ausreichen.

Der Versicherungsbeginn als Entscheidungskriterium

Vorsicht ist allerdings beim Abschluss privater Zusatzversicherungen geboten, wenn es um den Vertragsbeginn geht. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage: Wann gilt eine Heilbehandlung als begonnen?

Nur wenn dieser Umstand zweifelsfrei geklärt werden kann, ergibt sich auch Klarheit darüber, ab wann die Zusatzversicherung entsprechende Kosten für Behandlungsmaßnahmen übernimmt.

Bei Zahnzusatzversicherungen ist dies besonders pikant, denn oft wird eine solche Versicherung erst dann abgeschlossen, wenn der Zahnarzt einen entsprechenden Handlungsbedarf festgestellt hat. Oftmals ergeben sich dann Schwierigkeiten mit der Versicherungsgesellschaft, bzw. Streitigkeiten über den Versicherungsbeginn.

Einen Fall, der genau in diesem Bereich gelagert war, hatte das OLG Karlsruhe zu klären. Folgender Sachverhalt lag der Verhandlung zugrunde:

Zahnarzt stellt großen Handlungsbedarf fest – Patient schließt Zusatzversicherung ab

Der Kläger hatte seinen Zahnarzt aufgesucht, da er unter einem Eiterherd im Oberkiefer litt. Als der Zahnarzt diverse Beschädigungen an den vorhandenen Zähnen feststellte, verwies er den Kläger an eine oralchirurgische Praxis, die ein genaues Bild über die zu ersetzende Zähne anfertigen sollte.

Dort wurde der Kläger vorstellig und es stellte sich schließlich heraus, dass alle Zähne des Klägers defekt waren und durch entsprechenden künstlichen Ersatz ausgetauscht werden mussten. Im Hinblick auf die auf ihn zukommenden Kosten schloss der Kläger daher eine Zahnzusatzversicherung ab, mit einer Wartezeit von acht Monaten verbunden war.

Während der Wartezeit informierte sich der Kläger mehrmals bei seinem Zahnarzt über die verschiedenen Möglichkeiten in Verbindung mit dem Anfertigen von Prothesen. Dabei stellte der Zahnarzt auch eine medizinische Indikation für die Implantatversorgung fest.

Behandlung erfolgte nach Ablauf der Wartezeit

Die Implantate selbst wurden dann erst nach Ablauf der Wartezeit eingesetzt. Hierbei entstanden Kosten in Höhe von über 25.000 Euro. Der Kläger reichte die entsprechende Kostenrechnung bei der Versicherung ein und forderte die Hälfte davon als Erstattung.

Die Versicherungsgesellschaft verweigerte jedoch eine Erstattung, da ihrer Meinung nach der Versicherungsfall schon früher – mit Beginn der Untersuchungen bzw. der Indikation – eingetreten sei. Somit sei der Versicherungsfall vor Vertragsbeginn eingetreten, woraufhin der Versicherte keine Leistung von seinem Versicherer fordern könne. Der Versicherte war mit diesen Ausführungen naturgemäß nicht einverstanden und verklagte schließlich die Versicherung.

Patient klagt vor Landgericht auf Erstattung von 50% der Kosten

Der Fall wurde vor dem Landgericht Mosbach verhandeln. Hier gab der Richter den Ausführungen des Klägers statt und verurteilt die Beklagte, ihm 50 % der entstandenen Kosten zu erstatten. Damit wiederum war die Versicherung nicht einverstanden und ging in Berufung. Der Fall wurde dann in zweiter Instanz vor dem OLG Karlsruhe verhandelt.

OLG Karlsruhe unterstützt die Versicherung

Hier kam das Gericht zu einer anderen Entscheidung. Der Senat hob das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Klage ab. Grundsätzlich, so stellten die Richter am OLG Karlsruhe fest, beginnt der Versicherungsschutz nicht vor Abschluss eines Versicherungsvertrages und nicht vor Ablauf der Wartezeit. Eine Versicherung müsse daher nicht in Versicherungsfällen leisten, die vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sind.

Wie ist der Beginn des Versicherungsfalls definiert?

Im Anschluss konkretisierte das Gericht seine Ansicht: Im hier vorliegenden Sachverhalt war der Versicherungsfall bereits früher eingetreten. Dazu müsse man zunächst definieren, was unter dem Begriff Versicherungsfall zu verstehen sei.

Das Gericht sah hierin den Beginn der medizinisch notwendigen Heilbehandlung. Dieser Beginn sei jedoch nicht auf den Bezugspunkt festzulegen, an dem der Patient seinem Arzt einen konkreten Auftrag erteile, sondern auf den Beginn der Behandlungsbedürftigkeit selbst. Somit sei unter „Heilbehandlung“ jede ärztliche Tätigkeit zu verstehen, welche durch die betreffende Krankheit verursacht wurde.

Der Versicherungsfall tritt bereits mit der ersten Behandlung ein

Nach Meinung des Gerichts beginnt eine Heilbehandlung bereits mit der ersten Inanspruchnahme einer ärztlichen Tätigkeit, also auch schon mit einer ersten ärztlichen Untersuchung, die noch nicht auf eine Behandlung, sondern zunächst auf das Erkennen des Leidens abzielt.

Auch das Erstellen eines Heil- und Kostenplans fallen darunter. In diesem Zusammenhang stellte das Gericht auch fest, wann eine Heilbehandlung als abgeschlossen gilt – nämlich dann, wenn einem nach objektivem medizinischem Befund keine Behandlungsbedürftigkeit mehr besteht.

Versicherungsfall trat vor Versicherungsschutz ein

Im hier vorliegenden Fall sei der Versicherungsfall daher schon vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten, so das Gericht. Dieser sei bereits mit Beginn der Entfernung des eitrigen Abszesses im Oberkiefer eingetreten, da mit dieser ein akuter Handlungsbedarf an allen Zähnen einhergegangen sei.

In diesem Zusammenhang wurde auch ein medizinischer Gutachter zur Rate gezogen. Dieser stellte fest, dass ein derartiger Abszess fast immer ein Anzeichen weiterer Gebissschäden ist. Daher dürfte auch den behandelnden Ärzten der Behandlungsbedarf nicht entgangen sein.

Ohne Versicherungsschutz bleibt Patient auf Kosten sitzen

Somit sei die Behandlung des eitrigen Abszesses Startpunkt der gesamten Erneuerung des Gebisses zu sehen, die darauf folgende medizinische Versorgung des Empfängers sei also die Fortsetzung der medizinischen Notwendigkeiten.

Diese haben in versicherungsrechtlicher Hinsicht bereits mit der Entfernung des Abszesses begonnen. Zu diesem Zeitpunkt bestand der Versicherungsschutz allerdings noch nicht, weswegen sich die Versicherungsgesellschaft zu Recht der Ausschüttung von Leistungen entzieht.